Wunderblock No. 26 – Das ludische Auge. Über visuelle Strategien im Spielebuch König Alfons‘ X
- Ort Instituto Cervantes Berlin, Rosenstr. 18-19, 10178 Berlin
- Datum/Uhrzeit 06. April 2017, 19:00 Uhr
Zu Gast ist Michael Conrad, Philosoph und Theaterwissenschaftler – im Gespräch mit Andreas Rauth
Noch immer kursiert das Vorurteil vom Mittelalter als dunkler und freudloser Zeit. Tatsächlich aber war man auch in dieser Epoche den sinnlichen Freuden nicht gänzlich abgeneigt. Spiele waren daher nicht weniger fester Bestandteil des Lebens als heute. Ein Resultat mittelalterlicher Spielfreude war die Kompilation des ersten Buches auf europäischem Boden, der sich intensiv diesem Thema widmete und alle seinerzeit beliebten Brett- und Würfelspiele zusammenfassend darstellte. Dieses Buch, der Libro de acedrex, dados e tablas, wurde vom kastilischen König Alfons X. in Auftrag gegeben und kurz vor dessen Tod, 1283 oder 1284, fertiggestellt. Neben instruktiven Texten zur Spielweise zeichnet es sich durch eine Vielzahl farbenprächtiger Illuminationen aus, die zu den herausragendsten Exponaten gotischer Buchmalerei zählen. Die Miniaturen geben nicht nur einen einzigartigen Einblick in Spiel- und Alltagskultur der Zeit; es handelt sich zugleich um ‚Gebrauchsbilder‘, die, ohne den Umweg über Sprache, darüber Auskunft geben, wie gespielt werden soll. Dazu wurden verschiedene visuelle Strategien benutzt, die zu unterschiedlichen Traditionslinien gehören und in den Bildern zusammentreffen. Diese Bildtraditionen werden ebenso Thema sein wie allgemeinere Überlegungen zu Bedeutung und Gebrauch von Bildern im Mittelalter sowie zur grundsätzlichen, imaginativen Verbindung von Hand und Bild im Sehen, wie sie für Gebrauchsbilder wie denjenigen des Spielebuches Alfons‘ X ausgenutzt wird.
Michael A. Conrad war 2012-2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilprojekt „Spielteufel, Narrenschiff, Totentanz – Figurationen von Risiko in Mittelalter und Früher Neuzeit“ des Sonderforschungsbereichs 980 „Episteme in Bewegung“ an der Freien Universität Berlin. In diesem Forschungszusammenhang steht auch seine Dissertation zu Spiel als Praxis zum Umgang mit Ungewissheit am Ende des 13. Jahrhunderts. Zuvor war er 2011-2012 Mitarbeiter am Zentralinstitut für Medien und Interaktivität (ZMI) sowie Mitglied am International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) an der Justus Liebig-Universität Gießen. Er studierte Theaterwissenschaft und Philosophie an der Freien Universität Berlin und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. In seiner Magisterarbeit beschäftigte er sich mit Selbstfotografie als Selbstkultur. Neben dem Studium sammelte er auch eine Reihe berufspraktischer Erfahrungen, u.a. beim Zweiten Deutschen Fernsehen, dem Campus Verlag sowie als Buchübersetzer (zuletzt erschienen: Steven Barbone/Michael Bruce (Hg.): Die 100 wichtigsten philosophischen Argumente, Darmstadt, 2012).